Überholung, Reparatur, Umbau und Neubau Klassischer Segelyachten in Holzbauweise

Rennkutter THISTLE von 1887

Hamburg, im Herbst 2024: Im Auftrag des schottischen Royal Clyde Yacht Club wird 1886 ein Big-Class-Rennkutter auf Kiel gelegt, der unter dem Namen THISTLE im Jahre 1887 den New York Yacht Club im America's Cup herausfordern soll...

Nun soll auf der Hanseatischen Modellbaumanufaktur Werft der Nachbau der legendären Regattayacht erfolgen, die später als erste Rennyacht von Kaiser Wilhelm II. unter dem Namen METEOR I bekannt werden sollte......

Baubericht der S.Y. THISTLE von 1887

Geplante Bauweise und Fertigung des Spantengerüsts

Der Nachbau der THISTLE soll auf Basis eines vorhandenen Massivholzrumpfes der BRITANNIA erfolgen. Obwohl die THISTLE und die BRITANNIA innerhalb weniger Jahre von George Lennox Watson sehr ähnlich konstruiert und auf derselben Werft gebaut worden sind, weisen die grundsätzlich ähnlichen Rümpfe doch einige signifikante Unterschiede aus. Deswegen muss zunächst der Massivholzrumpf mit Raspel, Feile, Holzspachtel und Schleifpapier nachbearbeitet werden, um diese Unterschiede herauszuarbeiten. Während die THISTLE noch einen klassischen Klipperbug und ein ausgeprägtes Langkieler-Unterwasserschiff hatte, verfügte die BRITANNIA nämlich bereits über einen Yachtbug und einen deutlich stärker profilierten Kiel. Außerdem soll der modifizierte Massivholzrumpf nicht direkt für den Bau verwendet werden, sondern nur als Malle für das Spantengerüst dienen, das später auf klassische Weise beplankt werden soll. Anschließend sollen Decksbalken gesetzt werden und darauf die Decksbeplankung auf klassische Weise erfolgen. Dazu wird nach der Nachbearbeitung die Massivholzmalle im ersten Arbeitsschritt kopfüber auf einer stabilen Basisplatte aus Sperrholz verschraubt. Im zweiten Schritt werden auf der Basisplatte rundum die späteren Spanten markiert. Im dritten Schritt werden nach Entfernung der Malle entsprechende Löcher gebohrt, um die Spanten später auf der Basisplatte fixieren zu können...

Historischer Hintergrund der S.Y. THISTLE von 1887

Die THISTLE wurde von George Lennox Watson als dessen erste von vier Herausforderer-Yachten im America's Cup entworfen und auf der Werft D. &W. Henderson & Company bei Glasgow am Fluss Clyde in Schottland gebaut. Auftraggeber war ein Syndikat aus Mitgliedern des Royal Clyde Yacht Club, die mit der THISTLE die Amerikaner im Amerika's Cup 1887 herausfordern wollten. Das Syndikat bestand aus den Anteilseignern William Clark, John Clark, Andrew Coates, William Coates, James Coates, George Coates, Hilliard Bell und William Bell unter Führung von James Bell. Der Bau der THISTLE verlief unter größter Geheimhaltung im Winter 1886/1887.

Technische Beschreibung der THISTLE 

Die Yacht war eine Stahlkonstruktion mit Teakdeck, mit stählernem Mast und Rigg, und einem mit Blei ausgegossenen Kiel mit 70 Tonnen Ballastgewicht. Beim Stapellauf am 26. April 1887 wurde ihr Rumpf mit Baumwolltuch verdeckt, damit man die neuartigen Linien ihres Unterwasserschiffs nicht sehen konnte. Als Bugzierde diente eine Diestel, das inoffizielle Nationalsymbol Schottlands.

Regattakarriere als THISTLE und Teilnahme am America’s Cup 1887

Die Mannschaft der Thistle bestand unter anderem aus Skipper John Barr, dem Halbbruder des legendären Charlie Barr, Skipper der H.M.Y BRITANNIA, aus dem für Taktik und Navigation zuständigen Afterguard William Bell, James York, George Lennox Watson und Captain W.R. Gibson. In ihrer ersten Sommersaison 1887 segelte die THISTLE in Schottland überaus erfolgreich und konnte in 15 Regatten 11 erste Plätze belegen.

Für den America’s Cup überquerte die THISTLE im Sommer 1887 den Nordatlantik und traf in New York auf die US-amerikanische Verteidiger-Yacht VOLUNTEER, die aufgrund der Erfolge der Thistle unter starkem Erfolgsdruck stand. Als die THISTLE New York erreichte, heuerte eine Lokalzeitung einen Taucher an, um das geheimnisvolle Unterwasserschiff zu untersuchen. Damit wurde bereits vor der ersten Wettfahrt um den diesjährigen America's Cup eine erhitzte Diskussion entfacht, weil die angegebene Wasserlinie (LWL) kürzer war, als sich anlässlich einer Nachvermessung tatsächlich ergab. Die genaue Vermessung war insofern wichtig, als die Yachten keine Einheitsklasse bildeten, und sich gegenseitig eine Zeitvergütung geben mussten, um ihre unterschiedliche Größe auszugleichen.

Die erste Wettfahrt führte über 32,6 Seemeilen auf dem sogenannten Inside Course circa 20 Seemeilen gegen den Wind vom Startpunkt Scotland Lightship und zurück. Die US-amerikanische Verteidigeryacht VOLUNTEER schlug die THISTLE mit einem Vorsprung von 19 Minuten und 23 Sekunden nach berechneter Zeit. Die zweite Wettfahrt führte über 40 Seemeilen auf dem sogenannten Outside Course circa 20 Seemeilen gegen den Wind vom Startpunkt Scotland Lightship und zurück. Die US-amerikanische Verteidigeryacht VOLUNTEER schlug die THISTLE erneut mit einem Vorsprung von 11 Minuten und 11 Sekunden nach berechneter Zeit.

Im Anschluss an die Niederlage im America's Cup versuchte James Bell erfolglos, die THISTLE für 10.000 Pfund Sterling in Amerika zu verkaufen. Daher wurde die THISTLE im Oktober 1887 erneut nach Schottland überführt, wo sie von 1888 bis 1890 drei sehr erfolgreiche Regattasaisons in britischen Gewässern für den Royal Clyde Yacht Club segelte.

Regattakarriere als METEOR

Der deutsche Kaiser suchte als Kommodore des Kaiserlichen Yacht-Clubs Kiel für seine seglerischen Ambitionen eine erfolgversprechende Regattayacht. Wettbewerbsfähige Yachten konnte man zur damaligen Zeit nur in den USA oder Großbritannien kaufen oder bauen lassen. Seine Berater wurden aufgrund ihrer Erfolge auf die THISTLE aufmerksam. 1891 ließ Wilhelm II. die THISTLE für 90.000 Goldmark kaufen und in METEOR umtaufen.    

Mit der METEOR nahm der deutsche Kaiser auch zum ersten Mal mit einer eigenen Segelyacht an der internationalen und prestigeträchtigen Regattawoche von Cowes, der Cowes Week, teil. Sein Erscheinen in Cowes und im Clubhaus des Royal Yacht Squadron auf der Isle of Wight veranlasste seinen Onkel Eduard, den Prinzen von Wales und späteren König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, sich auch eine Regattayacht derselben Bauwerft zu bestellen.

Zwischen 1893 und 1895 segelte Wilhelm II. mit seiner METEOR gegen die etwa gleich große Yacht BRITANNIA des Prinzen von Wales und späteren Königs Eduard VII. Da die BRITANNIA neuer und schneller war, und von einer besseren Mannschaft gesegelt wurde, gewann sie alle Rennen deutlich. Zur damaligen Zeit wurden die Big-Class Yachten ausschließlich von meist englischen, schottischen oder norwegischen, professionellen Mannschaften einschließlich Kapitän gesegelt, die für die Sommermonate oder einzelne Regatten angeheuert wurden, und im Winter mit ihren Segelkuttern auf Fischfang gingen.

Weitere Verwendung als COMET 

Aufgrund seiner fortwährenden Niederlagen gegen die BRITANNIA stufte der ehrgeizige Kaiser Wilhelm II. seine Yacht als nicht mehr siegfähig ein und bestellte die neue, schnellere Yacht METEOR II bei George Lennox Watson. Sie wurde wie die Vorgängeryacht auf der Werft D. & W. Henderson & Company in Schottland gebaut. 1895 wurde die alte METEOR, nur sieben Jahre nach ihrem Stapellauf 1887, der Kaiserlichen Marine in Wilhelmshaven als Ausbildungsschiff übergeben, COMET getauft, und nach Ende des ersten Weltkriegs im Jahre 1921 abgewrackt.

Technische Eckdaten der S.Y. THISTLE von 1887

Maßstab: 1:177, L280mm, H350mm
Hersteller: MiniMamoli/Daniel Dusek Shipkits
Auftraggeber: Royal Clyde Yacht Club
Eigner: Royal Clyde Yacht Club
Konstrukteur: George Lennox Watson
Bauwerft: D. & W. Henderson & Company/Schottland
Länge über alles: 33,05m
Länge Wasserlinie: 26,35m
Breite maximal: 6,25m
Tiefgang: 4,15m
Gewicht: 138to Verdrängung
Segelfläche: 625qm
Besatzung: 21 Mann
Rumpf: Mallenspantenbauweise, einfach beplankt, schwarz lackiert
Unterwasserschiff: Einfach beplankt, dunkelrot lackiert
Deck: Decksbalken, einfach beplankt, natur lasiert
Rigg und Takelage: Einmast-Rennkutter-Gaffelrigg
Segel: Groß-/Topp/-Focksegel, Binnen- und Außenklüver